§ 28 IFSG Schutzmaßnahmen der Behörden:

Diese werden nicht in Frage gestellt, aber wieso gelten diese nur für einen Teil der Gewerbebetriebe. Zudem werden vorsorglich bestimmte Betriebe geschlossen, obwohl keine Infektionsgefahr von ihnen ausgeht, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Konsequenterweise müssten dann auch alle Unternehmen geschlossen werden, in denen viele Menschen zwangsläufig bei der Arbeit zusammenkommen, sofern sie nicht lebensnotwendige Produkte herstellen, oder Dienstleistungen anbieten. (Dieser Logik folgend müsste der Gesetzgeber präventiv Männern das Autofahren verbieten, weil diese erfahrungsgemäß für mehr Unfälle verantwortlich sind. )

Art.14 GG Enteignung:

In der Klageabweisung der ersten Instanzen heißt es: „Im Kern wurde der Friseurin für einige Wochen die Tätigkeit untersagt. Das begründet nicht hinreichend einen Eingriff in die eigentumsdurchdrungene Sachsubstanz des Geschäftsbetriebes“. Hierzu kann man nur die Frage stellen, woher das Gericht die Expertise nimmt, dies beurteilen zu können. Die deutsche Friseurbranche besteht zum größten Teil aus Kleinst -und Kleinbetrieben mit wenigen Mitarbeitern. Die Gewinne, die dort erzielt werden sind bei 90% der Betriebe gerade so hoch, dass auch der/die Unternehmer/in gerade so viel entnehmen kann, um mit der privaten Lebensführung noch klar zu kommen. Rücklagen sind bei sehr vielen kaum bis gar nicht vorhanden. Ein Umsatzausfall von 6 Wochen ist für viele Betriebe ein Desaster. ( zig tausende Betriebe haben bereits aufgegeben und noch mehr angestellte Friseur/innen haben ihren Arbeitsplatz verloren. Nach 2 Jahren Corona Pandemie lässt sich auch sagen, dass viele von ihnen auch im Schwarzmarkt gelandet sind. )
https://www.tophair.de/branche/branche-detailseite/handwerk-verzeichnetes-leichtes-umsatzplus-in-2021-friseure-jedoch-umsatz-und-personalminus/

Hinzu kommt, dass die Friseurbetriebe auch nach der Wiedereröffnung nur sehr eingeschränkt arbeiten konnten, da die angeordneten Schutzmaßnahmen dies nicht zuließen. Die Beschränkung auf eine Höchstanzahl von Personen im Salon, sowie die zusätzlichen Kosten für Desinfektion, Wasser, Strom, Schutzwände, Luftfilteranlagen, Mundschutz, Schnelltests, haben den Kostendruck zusätzlich erhöht. Ein weiterer Lock Down ab 16.12.2020 für den die Betriebe keine Hilfen beantragen konnten, sowie die lange Dauer bis zum 28.2.2021, haben viele Unternehmer/innen dazu genötigt, ihre Altersrücklagen aufzulösen, oder zusätzliche Kredite zu beantragen, um ihre Existenz zu retten.

Das Verfassungsgericht hat am 10.2.2022 eine „verfassungskonforme Auslegung“ der Entschädigungsregelung im IFSG in Erwägung gezogen. Dies wurde jedoch vom BGH wiederum ausgeschlossen. Das zeigt, dass sogar unsere höchsten Gerichte sich wohl nicht ganz einigen können, wie in diesem Fall zu entscheiden ist. Laut BGH setzt eine verfassungskonforme Auslegung voraus, dass mehrere Deutungen möglich sind. Sie findet in dem klaren Wortlaut der Bestimmung ihre Grenzen und darf nicht im Widerspruch zum eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzes stehen. „ Außerdem dürfen wir als Gericht nicht den Willen des Gesetzgebers konterkarieren“. Dieser Logik folgend dürften Gerichte auch bei schlecht gemachten Gesetzen des Gesetzgebers nicht mehr eingreifen. Das würde Gerichte und vor allem das BVG überflüssig machen. Diese Äußerung halte ich zudem für sehr bedenklich, da die Trennung zwischen Judikative und Legislative in Frage gestellt ist.

Der Gesetzgeber hat bei der Zugrundelegung dieses Gesetzes zwar zur Vorgabe gemacht, dass nur „Ausscheider“ etc. Anspruch auf Entschädigung haben, hat dabei aber natürlich nicht an eine bisher noch nie dagewesene Pandemie wie Covid 19 gedacht. Hier einen erkennbaren Willen dahinter zu sehen, halten wir für zumindest gewagt. Dass der Gesetzgeber bei den diversen Gesetzesänderungen innerhalb der letzten 2 Jahre hier nur in Ausnahmefällen Änderungen vorgenommen hat, hat nur einen Grund: Die Angst vor ausufernden finanziellen Belastungen für den Staat. Unverständlich, denn das Geld wurde ja auf anderen, zum größten Teil nicht mehr zu überblickenden Wegen ohnehin ausgegeben und landete bei vielen auch noch ungerechtfertigterweise.

Weiterhin sagt der BGH: „Hilfeleistungen für von der Pandemie schwer betroffene Wirtschaftsbereiche sind keine Aufgabe der Staatshaftung. Vielmehr folgt aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs.1 GG) dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen. Hieraus folgt zunächst nur die Pflicht zu einem innerstaatlichen Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist“

Das Sozialstaatsprinzip in der Handhabung der Coronakrise in den Vordergrund zu schieben ist eine wunderbare Idee. Es stellt sich allerdings die Frage inwie weit die „Gesamtheit der Gemeinschaft“ die Lasten mitträgt. Nicht wenige Unternehmen sind als die großen Gewinner aus der Coronakrise hervorgegangen, oder waren nur unwesentlich in der Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Warum die rechtlich bindende gesetzliche Regelung eines inner-staatliche Ausgleichs im IFSG kein geeignetes Mittel darstellen soll, erschließt sich mir nicht. Für diverse Hilfsprogramme wurden schließlich auch hunderte von Mrd. € ausgegeben. Warum man diesen Weg gewählt hat, liegt auf der Hand. Es sind Billigkeitsleistungen, die rechtlich nicht bindend sind und jederzeit wieder zurückgefordert werden können. Das zeigen ja die letzten Monate, in den die Bundesländer Rückzahlungsaufforderungen für die Soforthilfen 2020 verschickt haben.

Art.3 GG Gleichbehandlungsgrundsatz

a. Die Corona-Hilfen sind größtenteils Leistungen des Bundes, werden aber von den Bundesländern unterschiedlich durch Länderverordnungen beeinflusst. Während in NRW der Unternehmer sich 2000€ der Soforthilfe für die private Lebensführung entnehmen konnte, war dies in BW auf 1180€ festgelegt und in Bayern gänzlich nicht gestattet. Es wäre zu prüfen, ob hier ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben ist, da es sich ja auch um eine „Notlage nationaler Tragweite“ handelt.

b. In der Gastronomie, die ohne Zweifel durch längere Lock Downs beeinträchtigt war, dafür aber die Möglichkeit hatte sich durch To Go Verkäufe, die nicht auf die Hilfen anzurechnen waren, über Wasser zu halten, wird wohl auf Rückzahlungsforderungen der durchaus sehr großzügigen Hilfen, die bis zu 75% des Vorjahres Nettoumsatzes der Betrieb betrugen, verzichtet. Auch hier ist der Gleichbehandlungsgrundsatz betroffen.

Art. 14 GG besagt in Punkt 2 Eigentum verpflichtet. Im Zuge der Coronapandemie ist dieser Punkt in diversen Bereichen nicht berücksichtigt. Während Gewerbetreibende weiterhin ihre volle Miete bezahlen mussten, blieben die Vermieter von der Beteiligung an den Lasten der Pandemie befreit. Wo ist hier das Sozialstaatsprinzip?

Während Mercedes für den 1. Lock Down und darüber hinaus über 700 Mio. € KUG kassierte, lief das Geschäftsjahr 2020 so gut, dass man in der Aktionärshauptversammlung im Frühjahr 2021 vollmundig eines der besten Jahre für Mercedes verkünden konnte und gleichzeitig eine Dividende von 1,4 Mrd. € an die Aktionäre auszahlte. Ja sicher, KUG ist eine Versicherungsleistung der Arbeitsagentur, die den Betrieben aber 100% der Lohnkosten erstattet hat, während dessen aber die Arbeitnehmer auf große Teile Ihres Lohnes verzichten mussten. Zudem wird hier die im Grundgesetz verankerte besondere Verantwortung des „Eigentums“ nicht entsprechend gewürdigt. Im Sinne des Sozialstaatsprinzips sollte eine entsprechende Vermögenprüfung bei Konzernen und Betrieben jedenfalls angemessen sein und Gewinne in einer solchen Lage nicht privatisiert werden.